Apps begleiten uns zunehmend in unserem Leben. Manche helfen uns in alltäglichen Situationen wie beim Kaufen eines U‑Bahn-Tickets oder bei der Suche nach einer bestimmten Adresse. Manche begleiten uns aber auch bei besonderen Ereignissen, wie z. B. beim Kennenlernen neuer Menschen oder während der Schwangerschaft. Und auch in „schlechten Zeiten“ wie im Krankheitsfall können Apps hilfreich sein und uns beim Umgang mit der Erkrankung unterstützen.

Hintergrund

Knapp 2 Mio. Apps waren im Jahr 2019 über Apples App Store (Apple Inc., Cupertino, CA, USA) verfügbar. Im Google Play Store (Google LLC, Mountain View, CA, USA) wurden zum gleichen Zeitpunkt sogar knapp 2,5 Mio. Apps angeboten [14]. Diese verteilen sich auf verschiedenste Kategorien, die von Zeitungen und Zeitschriften, Sport und Unterhaltung, Bildung und Produktivität bis hin zu Essen und Trinken reichen. Ebenfalls vertreten ist die Kategorie „Medizin“. Im App-Store waren zum Zeitpunkt der Recherche für diesen Beitrag (26.03.2020) unter den kostenpflichtigen Top-Apps unter anderem ein digitales Fiebertagebuch und ein Kohlenhydrateinheitenrechner für Diabetiker vertreten, während unter den kostenfreien Apps – unter Anbetracht der aktuellen Pandemie wenig überraschend – eine Anwendung zur Dokumentation von COVID-19-Symptomen ganz vorne lag. Im Google Play Store waren in der Kategorie Medizin unter den Top-Apps v. a. Apps von Online-Apotheken vertreten. Zu den laut Angabe des Stores erfolgreichsten Apps zählen aber auch eine App zur Elektrokardiogramm(EKG)-Messung sowie ein Blutzuckertagebuch.

Pruritus ist eine der häufigsten interdisziplinär beklagten subjektiven Missempfindungen. Besonders chronischer Pruritus, von dem etwa 15 % der Bevölkerung betroffen sind [10], kann sehr belastend für die Betroffenen sein [12]. Wie auch bei den großen Volkserkrankungen wie Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen könnten auch bei Pruritus Apps einen Beitrag zu einer besseren Versorgung der Betroffenen leisten. Ziel dieses Beitrags ist es deshalb, einen Überblick über bereits verfügbare Apps für Pruritus zu vermitteln. Dabei soll zudem dargestellt werden, ob und wie die identifizierten Pruritus-Apps validiert worden sind und welche Angebote womöglich noch fehlen.

Methode

Um einen Überblick über die aktuell zur Verfügung stehenden Apps für Pruritus zu erhalten, wurden die 2 größten Anbieter, Apples App Store und Googles Play Store, mit den Stichworten „Pruritus“, „Juckreiz“, „Itch“ und „Itchy“ durchsucht. Zusätzlich wurde PubMed nach den Begriffen „Pruritus AND App“ untersucht, um weitere Apps zu identifizieren, die nicht über die genannten Stores verfügbar sind. Abschließend wurden zudem die Top-Treffer für „Pruritus AND App“ und „Juckreiz AND App“ auf Google durchsucht. Relevante medizinische Apps wurden dokumentiert und hinsichtlich ihrer Inhalte bzw. ihrer Funktionen kategorisiert. Apps, die Hautprobleme im Allgemeinen (ohne genaueren Fokus auf ein Symptom bzw. eine Diagnose) thematisierten, veterinärmedizinische und nichtmedizinische Apps wurden für diesen Beitrag nicht berücksichtigt. Im Folgenden werden zuerst die Ergebnisse dieser Recherche präsentiert und die relevanten Apps kurz vorgestellt. Anschließend wird ergänzend dargestellt, welche der Apps mit explizitem Fokus auf Pruritus wissenschaftlich evaluiert wurden, wobei insbesondere exemplarisch auf die „ItchyApp“ eingegangen wird. Die Validierungsstudien wurden dafür über eine Recherche auf PubMed identifiziert.

Medizinische Apps bei Pruritus – was gibt es bereits?

Insgesamt wurden 21 Apps mit direktem Bezug zu Pruritus identifiziert. Bei 12 dieser Apps stand Pruritus dabei im Vordergrund, während 8 Apps Pruritus im Kontext einer damit einhergehenden Erkrankung thematisierten (Tab. 1). Eine App mit dem Namen „Scratch my Itchy Back“ beinhaltete zudem ein Spiel, in dem es darum geht, einer Person per Touchscreen den Rücken zu kratzen. Diese App wurde aufgrund des nichtmedizinischen Charakters in der folgenden Übersicht nicht weiter berücksichtigt.

Tab. 1 Übersicht über die identifizierten Apps

Im Play Store wurden mehr Pruritus-bezogene Apps identifiziert als im App Store, was v. a. einer großen Zahl von Informations-Apps geschuldet ist, die nur im Play Store zur Verfügung stehen. Im Folgenden werden die identifizierten Kategorien und die entsprechenden Apps vorgestellt.

Apps zur Anamneseerhebung bei chronischem Pruritus in der Routineversorgung

Die „ItchyApp“ (Hippokrates IT GmbH, Münster, Deutschland) dient der Dokumentation von Beschwerden bei chronischem Pruritus im Rahmen der Routineversorgung. Sie ist für Google Android [3] und Apple iOS [4] verfügbar. Ein standardisierter Fragebogen wurde von der EADV (European Academy of Dermatology and Venereology) Task Force Pruritus [2] zunächst in deutscher Sprache entwickelt. Er besteht aus 10 Fragen, die in mittlerweile 11 Sprachen vorliegen (Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Türkisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch, Schwedisch und Russisch). Die Abb. 1 zeigt die deutsche Implementierung der „ItchyApp“. Im Anhang (Supplementary material: ESM Abb. 3 a–j) finden sich Screenshots der Übersetzungen in 10 weiteren Sprachen.

Abb. 1
figure 1

Screenshots der deutschen Version der „ItchyApp“ (Screenshots der Übersetzungen in 10 verschiedene Sprachen finden Sie als elektronisches ergänzendes Material in Abb. 3)

Der Patient wird von der App regelmäßig erinnert, die Pruritusbeschwerden zu dokumentieren. Durch eine Reportfunktion (Abb. 2) kann ein zusammenfassender Bericht der letzten 3 Monate erstellt werden, der sowohl in Textform als auch als Grafik abrufbar ist. Eine Besonderheit der „ItchyApp“ besteht darin, dass aus dem Bericht ein 2‑D-Barcode erzeugt werden kann, der mit einem Barcode-Leser direkt als Verlaufsnotiz in die elektronische Patientenakte eingelesen werden kann. Um die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu erfüllen, werden die Patientendaten nur auf dem Smartphone des Patienten gespeichert und nicht über das Internet übertragen. Der Datentransfer erfolgt offline via Barcode.

Abb. 2
figure 2

Reportfunktion der App für den Arztbesuch mit zusammenfassender Übersicht, Grafik und Barcode für den Datentransfer in die elektronische Patientenakte

Apps zur Erfassung von Pruritussymptomen für klinische Studien

Die „ItchApp“ wurde zur Erfassung von chronischem Pruritus im Rahmen von klinischen Studien entwickelt und in Deutsch, Englisch und Polnisch validiert [5]. Sie enthält 8 Fragen rund um Pruritusintensität und Pruritusverlauf sowie einen Bereich, in dem Daten und Kontakte der klinischen Prüfung hinterlegt werden können. Hintergrund dabei ist, dass in den letzten Jahren zwar mehrere validierte Fragebögen zur entsprechenden Erfassung entwickelt worden sind, eine kontinuierliche Erhebung von Pruritus in Papierform jedoch Risiken für die Datenqualität birgt, da nicht kontrolliert werden kann, wann die Patienten die jeweiligen Fragebögen tatsächlich ausfüllen. So kann es sein, dass vergessene Eingaben kurz vor der nächsten Studienvisite gesammelt und rückblickend „nachgetragen“ werden, was zu Recall-Bias und verfälschten Messungen führt. Um dies zu vermeiden, wurden bereits elektronische Tagebücher zur Messung von patientenberichteten Endpunkten entwickelt. Diese waren jedoch häufig nicht praktikabel, da sie sperrig waren oder mit nicht validierten Fragen arbeiteten. Um diese Probleme zu umgehen, wurde die „ItchApp“ entwickelt. Sie erfasst chronischen Pruritus mittels validierter Messinstrumente über die Smartphones der Studienteilnehmer. Sie enthält zudem eine Funktion, die verhindert, dass Patienten Daten länger als 3 Tage retrospektiv ausfüllen können, sodass eine hohe Datenqualität gewährleistet ist. Die „ItchApp“ wurde für Android-Smartphones entwickelt und ist nicht über die Stores beziehbar, kann aber auf Anfrage bei den Lizenzgebern für Forschungszwecke verwendet werden.

Apps zur Erfassung von nächtlichem Pruritus

Die App „Itch Tracker powered by SHIELD“ (Nestlé Skin Health S.A., Lausanne, Schweiz und Maruho Co., Ltd., Osaka, Japan) misst in Kombination mit einer Apple Watch über das Kratzverhalten den nächtlichen Pruritus der jeweiligen Nutzer [7]. Dafür erfasst die App über die Apple Watch die nächtlichen Kratzbewegungen mithilfe eines eigens entwickelten Algorithmus. Der Nutzer muss während des Schlafs seine Apple Watch mit aktivierter App tragen. Zudem gibt es eine Kalenderfunktion, über die Veränderungen im Kratzverhalten nachverfolgt werden können. Diese Informationen könnten laut Hersteller zu einem besseren Krankheitsmanagement der Patienten selbst führen und Informationen für Behandler liefern.

Dieselben Funktionen bietet zudem auch die App „DermaTrack“ (Embleema Inc., New York, USA & Paris, France), die auch vom Design dem „Itch Tracker powered by SHIELD“ ähnelt.

Apps mit Informationen zu Pruritus

Im Google Play Store wurden 9 Apps identifiziert, die Informationen zu Pruritus bereitstellen. Teilweise beziehen sich die Informationen dabei auf Pruritus im Allgemeinen (z. B. „Itching: Causes, Diagnosis, and Management“), andere fokussieren auf bestimmte Lokalisationen (z. B. „Vaginaler Juckreiz“, „Home Remedies for Anal Itching“ und „Itchy Eyes Home Remedies)“. Auffällig war, dass die meisten dieser Apps bereits im Titel explizit Informationen über eine effektive Behandlung von Pruritus versprechen (z. B. „How to get rid of itchy skin“, „How To Cure Itchy Skin“), wobei insbesondere Hausmittel häufig thematisiert wurden (z. B. „Itchy Skin Causes, Treatment and Home Remedies“ und „Home Remedies for Anal Itching“). Wie die beispielhaft genannten Titel bereits verdeutlichen, waren die meisten Apps (einzige Ausnahme: „Vaginaler Juckreiz“) in englischer Sprache verfasst. In den Beschreibungen all dieser Apps waren keine Informationen darüber gegeben, woher die Inhalte der Apps stammen oder ob und wie die Inhalte validiert wurden. Die Beschreibungen enthielten dagegen eine große Anzahl aneinandergereihter Schlagworte, was vermutlich die Auffindbarkeit der Apps im jeweiligen Store erhöhen soll. Trotz der großen Gemeinsamkeiten stammen die Apps von unterschiedlichen Entwicklern, die jedoch fast alle auf Apps dieses Formats spezialisiert zu sein scheinen. Zusammengefasst scheinen die identifizierten Informations-Apps von fragwürdiger Qualität zu sein, wobei die Inhalte für den Zweck dieses Artikels nicht im Einzelnen begutachtet wurden.

Apps für bestimmte Krankheitsbilder, die Pruritus als Symptom beinhalten

Zusätzlich zu den oben aufgeführten Apps, die explizit auf Pruritus fokussieren, wurden 8 weitere Apps identifiziert, die für bestimmte (Haut‑)Erkrankungen entwickelt wurden und Pruritus als Symptom thematisieren. Die Apps werden im Folgenden nach Krankheitsbildern geordnet vorgestellt, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird und werden kann. Denn es werden nur die Apps vorgestellt, die mit der im Methodenteil beschriebenen Suchstrategie identifiziert wurden.

Ekzeme.

Insgesamt wurden so 3 Apps identifiziert, die sich mit dem atopischen Ekzem oder Ekzemen im Allgemeinen beschäftigen. Die umfangreichste davon ist die App „Neurodermitis Helferin I Nia“ (Nia Health GmbH, Berlin, Deutschland), deren Kernfunktion das Tracking des Gesundheitsverlaufs ist, das mittels validierter Instrumente wie dem Patient Oriented SCORAD (PO-SCORAD) und Fotodokumentationen an verschiedenen Lokalisationen durchgeführt wird. Pruritus wird mithilfe einer numerischen Ratingskala (von 0 bis 10) erfasst. Auch vermutete Triggerfaktoren der Erkrankung können dokumentiert werden. Basierend auf diesen Daten, erstellt die App einen personalisierten Report, den der Nutzer bei seinem nächsten Termin seinem Arzt vorlegen kann. Die App beinhaltet zudem einen Algorithmus, der die eingegebenen Gesundheits- und Fotodaten selbstständig auswerten kann, um Vorhersagen über den Krankheitsverlauf treffen zu können. Neben dem Tracking bietet die App Tipps und Tricks für den Alltag mit atopischem Ekzem, die auf dem validierten AGNES-Curriculum beruhen [13]. Zukünftig soll die App eine Funktion enthalten, die es ermöglicht, über die App ein ärztliches Gutachten per Videochat einzuholen, bei dem die in der App erfassten Daten als Grundlage dienen. Die App ist kostenfrei für iOS und Android erhältlich, wobei für das Einholen einer Expertenmeinung über die App Kosten anfallen.

Eine weitere App für Betroffene mit Ekzemen ist die App „Eczema Support“ von MyHealthTeams Inc. (San Francisco, CA, USA). Diese englischsprachige App ist ein soziales Netzwerk bzw. eine digitale Selbsthilfegruppe für Menschen mit Ekzem. Die App ermöglicht es Nutzern, Fotos und Texte mit anderen Nutzern zu teilen und mit anderen Betroffenen zu interagieren (zusätzlich zu „likes“ können dabei „hugs“ vergeben werden). Zudem bietet die App eine Funktion, mit der andere Nutzer in der Umgebung identifiziert werden können. In der Beschreibung der App bewerben die Hersteller v. a. die soziale und emotionale Unterstützung, die die App durch den Kontakt mit anderen Betroffenen bieten kann.

Eine weitere App für Patienten mit atopischem Ekzem ist die App „Eczema by AZoMedical“. Der Hersteller, AZoNetwork UK Lt. (Manchester, UK), ist ein international tätiger Online-Informationsdienstleister, der kostenfrei Informationen zu verschiedene Themengebieten zur Verfügung stellt, darunter auch die Medizin. Die englischsprachige App bietet regelmäßig aktualisierte Informationen für Menschen mit Ekzemen. Wie auch bei den oben vorgestellten Apps wird in der App-Beschreibung nicht offengelegt, woher die Informationen in der App stammen. Das Web-Angebot des Herstellers für medizinische Informationen wurde jedoch von der Organisation „Health On The Net“ als vertrauenswürdig zertifiziert, was darauf schließen lässt, dass auch die Informationen in der App von ausreichender Qualität sind (auch hier wurden die Inhalte jedoch für diesen Artikel nicht geprüft).

Urtikaria.

Im Rahmen der Recherche wurden 2 Apps für Betroffene mit Urtikaria identifiziert. Die erste davon ist die „NesselApp“ (Novartis Pharma AG, Basel, Schweiz). Es handelt sich dabei um ein persönliches Urtikariatagebuch, in dem die Nutzer den Verlauf ihrer Erkrankung mittels validierter Scores sowie mittels Fotos dokumentieren können. Pruritus wird dabei als Symptom in 4 Kategorien (kein, leicht, mittel, stark) erfasst. Auch Begleitumstände wie Ernährung, Sport oder Infekte können dokumentiert werden, ebenso wie Medikationen. Die Daten können per E‑Mail an den behandelnden Arzt übermittelt werden.

Die zweite App für Betroffene mit Urtikaria ist die App „TARGET My Hives“ (eResearchTechnology Inc., Philadelphia, PA, USA), die Zugang zu einer Online-Community für Menschen mit Urtikaria bietet, in der sich die Nutzer austauschen sowie sich gegenseitig unterstützen können. Die App bietet zudem eine wohnortnahe Facharztsuche sowie die Möglichkeit, den Krankheitsverlauf zu protokollieren.

Weitere Indikationen.

Zusätzlich zu den bereits vorgestellten Apps wurden 3 weitere identifiziert, die Pruritus als Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung thematisierten. Die „BridgeAppForBurnPatients“-App der University of Tennessee, Knoxville wurde als Pilotprojekt zur Nachsorge bei Patienten mit Verbrennungen nach der Krankenhausentlassung entwickelt [1]. Die App sendet den Patienten 90 Tage nach der Entlassung Nachrichten, die das Wundmanagement sowie das psychosoziale Wohlbefinden unterstützen sollen. Gleichzeitig werden Hautbefund und weitere Symptome wie Pruritus erhoben.

Die App „STD Triage – Hautarzt fragen“ im Apple App Store bzw. „STD Triage – Anonymer Arzt“ im Google Play Store (iDoc24 Inc., Berkeley, USA & Stockholm, Schweden) ist eine App, die es den Nutzern ermöglicht, Fotos von Hautveränderungen – v. a. im Genitalbereich – anonym an einen Dermatologen zu senden. Innerhalb von maximal 48 h erhält der Nutzer Informationen zur wahrscheinlichsten Diagnose, zu möglichen Behandlungsansätzen und ob ein Dermatologe oder weiterer Facharzt aufgesucht werden sollte. Die App ist kostenfrei, für die Nutzung des Triage-Services fällt jedoch eine Gebühr an.

Validierung von medizinischen Apps bei Pruritus

Sowohl im Apple App Store als auch im Google Play Store müssen Apps einige Voraussetzungen erfüllen, bevor sie öffentlich zugänglich gemacht werden. Diese beinhalten jedoch v. a. rechtliche und technische Voraussetzungen. Ob die Inhalte auch fachlichen und wissenschaftlichen Qualitätskriterien entsprechen, wird dabei kaum überprüft. Die Prüfung für eine Veröffentlichung im Apple App Store erscheint dabei jedoch umfangreicher und strenger als für den Google Play Store [8]. Dabei legt Apple auch höhere Maßstäbe für den Inhalt der App an, wohingegen Google bei eingereichten Apps den Inhalt lediglich zur Vermeidung anstößiger und verbotener Inhalte prüft. Vermutlich ist dies der Grund, warum die aus medizinischer Sicht qualitativ fragwürdigen Informations-Apps zum Thema Pruritus häufiger im Google Play Store als im Apple App Store erhältlich sind. Um zu überprüfen, ob Apps auch wissenschaftlichen Qualitätsstandards gerecht werden, ist eine wissenschaftliche Validierung der Funktionen deshalb unerlässlich.

Ob die App-Inhalte fachlichen und wissenschaftlichen Qualitätskriterien entsprechen, wird kaum überprüft

Bei elektronischen Fragebögen ist eine möglichst optimale Formulierung der Fragen von zentraler Bedeutung, um klinisch valide Aussagen zu erhalten (hohe Reliabilität, Vermeidung von Bias, hohe Konstruktvalidität etc.). Patienten sind im Allgemeinen medizinische Laien, von daher müssen die Fragen möglichst allgemeinverständlich und trotzdem präzise formuliert werden. Bei der „ItchyApp“ wurden daher von der EADV Task Force Pruritus – soweit möglich – bereits in früheren Studien validierte Fragen eingesetzt. Das Ziel der „ItchyApp“ war es, ein standardisiertes Erhebungsinstrument für chronischen Pruritus zu schaffen, das in allen gängigen europäischen Sprachen für die Routineversorgung zur Verfügung steht. Ein professioneller Übersetzer erstellte eine erste Version in der jeweiligen Landessprache, die von 2 unabhängigen Übersetzern geprüft wurde. Danach erfolgte eine Rückübersetzung in die Ausgangssprache. Abschließend erfolgte eine Prüfung durch einen Pruritusexperten aus dem jeweiligen Land. Auch die „ItchApp“ und der „Itch Tracker“ wurden wissenschaftlich für den Einsatz in klinischen Studien validiert [5, 7].

Diskussion

Die für diesen Beitrag durchgeführte Recherche zeigt, dass verschiedene Apps für Pruritus zur Verfügung stehen. Bei manchen davon steht Pruritus dabei explizit im Fokus, während andere Pruritus als Symptom einer zugrunde liegenden Krankheit beinhalten. Bei den expliziten Pruritus-Apps fällt dabei jedoch auf, dass die (validierten) Apps mit Ausnahme der „ItchyApp“ nicht in erster Linie für die Betroffenen selber entwickelt worden sind. Vielmehr sind sie darauf ausgerichtet, Pruritus für verschiedene klinische oder wissenschaftliche Zwecke zu erheben wie für klinische Studien oder zur Anamneseerhebung. Im Google Play Store wurden zwar mehrere Informations-Apps für Betroffene mit Pruritus identifiziert. Aufgrund der Intransparenz in Bezug auf die zugrunde liegenden Quellen sowie weiteren Aspekten, die die Apps nicht sonderlich seriös wirken lassen, sind diese Apps jedoch nicht als Informationsquelle für Betroffene zu empfehlen. Eine größere Patientenzentrierung ließ sich dagegen bei den Apps feststellen, die Pruritus als Symptom einer zugrunde liegenden Krankheit beinhalten. Diese enthielten Symptomtagebücher, die den Patienten gezielt beim Selbstmanagement der Erkrankung unterstützen können. Besonders für Patienten, die die Ursache für ihren Pruritus (noch) nicht kennen, könnte ein derartiges Tagebuch in App-Form, in dem neben dem Schweregrad auch Umweltfaktoren dokumentiert werden können, dabei helfen, den Pruritus besser zu verstehen und womöglich potenzielle Schubauslöser identifizieren zu können. Zusätzlich könnten derartige Apps auch wertvolle Informationen für die medizinische Versorgung des Betroffenen liefern. Im Optimalfall könnte eine solche App zusätzlich qualitativ hochwertige Informationen zum Thema und Tipps für die Betroffenen im Umgang mit Pruritus enthalten.

Apps zu Pruritus als Symptom einer zugrunde liegenden Krankheit haben eine größere Patientenzentrierung

Eine weitere Möglichkeit, wie Apps Betroffenen im Umgang mit ihrem Pruritus helfen könnten, wären Apps, die die Betroffenen gezielt von ihrem Pruritus ablenken und sie so vom „Kratzen“ abhalten. Natürlich könnten auch nicht-pruritusspezifische Unterhaltungs-Apps diese Funktion erfüllen. Spezielle Apps könnten die Betroffenen jedoch gezielt darauf aufmerksam machen, dass Ablenkung eine effektive Copingstrategie sein kann [9], und gleichzeitig mithilfe von Nudging und Gamification-Ansätzen Anreize schaffen, diese Strategie tatsächlich anzuwenden. Statistiken darüber, wie häufig Kratzen durch die App vermieden wurde, könnten die Nutzungsmotivation zusätzlich steigern. Apps wie der „Itch Tracker powered by SHIELD“ sind zudem bereits heute in der Lage, Kratzbewegungen während des Schlafs mittels Smart Watches zu identifizieren. Wäre es möglich, diese Technologien weiter auszubauen, sodass Kratzbewegungen auch tagsüber und bei alltäglichen Handlungen identifiziert werden können, könnte der Betroffene zudem über die Smart Watch auf sein Verhalten aufmerksam gemacht werden, sodass unterbewusstes Kratzen reduziert werden könnte.

Blickt man auf die letzten Jahre zurück, kann man eine faszinierende und ausgesprochen schnelle technologische Entwicklung nachverfolgen, und viele der Technologien, die wir heute alltäglich nutzen, wären vor einigen Jahren nicht vorstellbar gewesen. Und so können wir auch damit rechnen, dass auch in den nächsten Jahren weitere Technologien entwickelt werden, die heute noch unvorstellbar sind. Grade in Bezug auf Apps wird diese Entwicklung vermutlich durch das kürzlich in Kraft getretene Digitale-Versorgung-Gesetz [11] befeuert, das Apps auf Rezept ermöglicht und die Entwicklung von hochwertigen und validierten medizinischen Apps wirtschaftlich interessant macht. Gewährleistung des Datenschutzes von vertraulichen Patientendaten sowie eine effiziente Anbindung der Apps an die elektronische Patientenakte sind wichtige Erfolgsfaktoren. Und auch die Weiterentwicklung von digitalen Medizinprodukten könnte die Versorgung von Pruritus revolutionieren. Bereits heutzutage existieren sog. Wearables, die z. B. die aktuelle UV-Belastung messen und transepidermal, noninvasiv biologische Prozesse visualisieren können [6]. Eine Weiterentwicklung dieser Technologien in Richtung „second skin“, die sowohl den Betroffenen als auch Ärzten und Wissenschaftlern vielfältige Informationen über den aktuellen Hautzustand in Echtzeit liefern, könnte den Weg für neue und individualisierte Therapiekonzepte ebnen und die bislang sehr herausfordernde Behandlung von Pruritus enorm erleichtern.

Fazit für die Praxis

  • Insbesondere zur Erfassung von Pruritus im Rahmen der Anamnese und für klinische Studien stehen Apps bereits zur Verfügung.

  • Patientenzentrierte Apps, mit denen Betroffene ihre Symptome sowie potenzielle Triggerfaktoren dokumentieren können, gibt es für mit Pruritus assoziierte Erkrankungen wie atopische Dermatitis oder Urtikaria, jedoch nicht speziell für Pruritus. Diese könnten jedoch besonders bei Patienten mit (noch) unbekannter Ursache für den Pruritus einen Beitrag zu einem besseren Verständnis leisten und zu einer besseren Versorgung des Symptoms beitragen.

  • Eine Weiterentwicklung der bestehenden Technologien in Richtung „second skin“, die sowohl den Betroffenen als auch Ärzten und Wissenschaftlern vielfältige Informationen über den aktuellen Hautzustand in Echtzeit liefern könnten, könnte die bislang sehr herausfordernde Behandlung von Pruritus in Zukunft enorm erleichtern.